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Wir leben getrennt. Wir haben uns getrennt.

Nein, ich habe mich nicht von meinem Mann getrennt. Keine Sorge. Ich möchte hiermit zum Ausdruck bringen, wie unsere Welt aussieht und wie ich sie erlebe. Eine wichtige Zukunftskompetenz ist es, Trennungen zu überwinden und Verbundenheit zu lernen. 

Als Erwachsene finden wir uns meistens in Arbeitszusammenhängen wieder, in denen Gefühle keinen Platz haben. Wir leben in getrennten Sphären, in denen wir strategisches Denken und Fühlen voneinander getrennt haben: 

Wir trennen privat und beruflich. Wir unterscheiden zwischen Profit und Fürsorge, Rationalem und Emotionalem. Wir trennen Denken und Fühlen. 

Wir spalten uns ab – wir leben getrennte Beziehungen. Wir grenzen uns ab und wir grenzen aus. Das Trennende ist in unserem Leben äußerst dominant, ganz nach dem Motto:

Was habe ich schon mit den anderen zu tun?”. 

Das ist die Folge dessen, was das Ego-System hervorgerufen hat: Wir haben uns stark von anderen und uns selbst getrennt.

Warum fehlt uns das Gefühl von Verbundenheit?


Besonders frappierend und lustig war zum Beispiel die Verkündung von Wolfgang Kubicki nach der verlorenen Wahl in Berlin. Er sagte, dass die FDP sich jetzt in der Regierung nur noch auf das eigene Wohl konzentrieren sollte. Sollte sich eine Regierung nicht um das allgemeine Wohl der Bevölkerung kümmern, statt sich auf die eigenen Interessen zu beziehen?

Es hat mich überrascht, dass diese Aussage zu keinem Aufschrei führte, sondern alle abnickten und zustimmten. Es ist ja klar, dass das eigene Ego-Wohl in den Vordergrund gestellt wird. Damit geht das Gefühl des Getrenntseins einher. Und dieses ist stärker als das Gefühl der Verbundenheit, was zu Gefühlen von Einsamkeit, Verzweiflung und Depression führt.

Uns fehlt das Gefühl der Verbundenheit zu den Menschen um uns herum. Es ist so wenig erfahrbar. 

Auch, wenn ich privat mit Freunden spreche, fällt mir auf, wie sehr das Gefühl der Abspaltung das Denken beeinflusst. 

Das, was wir Ego-System nennen, ist ein System der Trennung und Abspaltung.

Die Trennung zwischen Denken und Fühlen

Jede:r von uns kennt diesen Zauber, der sich bei der Geburt eines neuen Menschenkindes auf dieser Welt ausbreitet. Wir sind fasziniert, wenn wir dieses neue Wesen betrachten und einfach überwältigt von Liebe. Wir sehen ein reines, neues Menschenkind, das pures Gefühl ist und pures Gefühl auslöst und Eltern oder Geschwister sind gerade in den ersten Wochen auf einem Trip bedingungsloser Liebe.

Wir alle wurden im puren Gefühl geboren und wir kennen den Zauber, wenn er uns trifft.

Was wird viele Jahre später aus uns und diesem Gefühl im beruflichen Kontext?

Im Arbeitsleben wirkt das besonders stark, weil wir keinen bewussten und professionellen Umgang gelernt haben, um emotional miteinander umzugehen. Im beruflichen Kontext gibt es keine Räume, die das ermöglichen. 

Das wird besonders in Konfliktsituationen deutlich. Unangenehme Gefühle wie Ängste, Verletzungen oder Bedrohung haben ebenso wenig Platz wie Träume.

Mobbing, Ausgrenzung und schlechte Stimmung sind die Konsequenzen, wenn diese Gefühle nicht klar ausgedrückt werden können.

Eine Kollegin erzählte mir neulich, dass sie als Beraterin einen Auftrag in einem Unternehmen hatte, in dem es große Konflikte gab. Sie wurde in diese immer mehr mit hineingezogen, was dazu führte, dass die Teilnehmenden nicht mehr mit ihr reden wollten. Aufgrund der vielen Spannungen hat sie dann einen befreundeten Coach mit in den nächsten Workshop gebracht.

Dieser sagte Folgendes: 

„Ich spüre in diesem Raum eine große Trauer. Was ist hier eigentlich vorgefallen?”.

Das führte dazu, dass alle anfingen zu weinen. All die Verletzungen und das Gefühl, von der Unternehmensleitung verraten worden zu sein, wurden auf meine Kollegin projiziert. Sie kamen an die Oberfläche und konnten dadurch bearbeitet werden. Und das, weil eine Person in der Lage war zu spüren, was in dem Raum los war. 

Die Trennung von unseren Gefühlen überwinden

An diesem Beispiel können wir ganz klar erkennen, was so oft in Unternehmen passiert: Wir haben uns von unseren Gefühlen abgespalten. Sie haben in einem beruflichen Umfeld keinen Platz. Eine unserer wichtigsten Zukunftsaufgaben ist es, die Trennung von unseren Gefühlen zu überwinden.

Denn, was bedeutet es, wenn wir nur als getrennte Wesen hier sind? Dass wir nicht mit unserem ganzen Herzen da sind und im beruflichen Kontext keine Verbundenheit spüren oder träumen können. Es gibt keinen Raum, Dinge auszuprobieren, die wir im ersten Moment vielleicht noch nicht logisch festmachen können. 

Pensasiento – fühlend denken

Ich habe noch ein weiteres Beispiel für dich. Vor einigen Tagen war ich in einem Call von der U School mit 500 Menschen aus der ganzen Welt, die alle für Transformationsprojekte losgehen. Eine Frau aus Südamerika erzählte, dass die Indigenen in Lateinamerika das Wort Pensasiento haben.

Es ist eine Verbindung aus pensar (denken) und sentimiento (Gefühl).

Es bedeutet also so viel wie: Mit Gefühl denken oder fühlend denken.

Dies hatte eine lustige Assoziation zur Folge. Otto Schamer entgegnete darauf: 

Schon Joseph Beuys sagte:

Ich denke sowieso mit dem Knie!”.

Was meinte Herr Beuys damit? 

Er meinte, dass für künstlerisches und kreatives Denken und Handeln das lineare, logische Denken mit dem Kopf nicht zielführend ist, da es der Komplexität des künstlerischen Schaffens überhaupt nicht entspricht. Denn das künstlerische Schaffen ist allumfassend, Chaos und tiefes Gefühl, das aus dem Bauch herauskommt und um die Ecke geht. Deswegen denken gute Künstler kreuz und quer und um die Ecke. Und das geht nur mit dem Knie.

Was passiert, wenn wir die Trennung aufheben und das Gefühl einladen, mit dabei zu sein? Das durfte ich letzte Woche erfahren.

Ich hatte die große Ehre, bei den Johannitern einen Visionsprozess durchzuführen. Das Besondere daran war, dass 15 Menschen aufeinander trafen, die normalerweise nicht zusammen arbeiten. Der Bundesvorstand traf auf die Landes- und Regionalebene und auf Mitarbeiter von Auslandszweigstellen. 

Die Aufgabe des Workshops war es, etwas zu erarbeiten, das in der kompletten Organisation als Leitstern und Vision verkünden konnte. Dabei führten wir die Gruppe durch einen Prozess, der viel mit Spüren und Fühlen zu tun hat. Sie wurden auf eine für sie ungewohnte Reise eingeladen. Es gab Mediations- und Traumprozesse mit geschlossenen Augen, die das Fühlen erlaubten. Sie sollten sich vorstellen, wie eine Zukunft in der Organisation möglich ist. Am Ende sollten die Teilnehmenden eine Collage mit Bildern aus Zeitschriften erstellen, die ihr Gefühl zum Ausdruck brachte. 

Plötzlich wurden Geschichten erzählt. Erst dann haben sie sich in einen gemeinsamen, kreativen Prozess des Formulierens eines Manifests begeben. Das hat mich fast umgeblasen, weil es so kraftvoll und ambitioniert ist. Es war voller Leidenschaft, Entschlossenheit und Commitment. Mir ging das Herz auf.

Das Fazit der Teilnehmer:innen war: 

Das ist ein Wunder! Wir haben es uns nicht vorstellen können, dass wir in dieser Konstellation zu so einem Manifest überhaupt in der Lage sind!”.

Ergebnisse wie diese sind für mich Zukunftsamen – sie sind Vorboten von dem, was möglich ist. 

Ergebnisse wie diese rufen mich. Sie locken mich und fordern mich auf, diesen Weg weiter zu gehen. 

Mit einer Meditation zum Vorstand gehen und zu Gefühlen auffordern?

Ja. Es ist möglich. Und er hat sich von ganzem Herzen bedankt.

Trennung überwinden: Mein Fazit

Meine Gedanken für dich zum Abschluss:

Wo erlebst du die Trennung von Gefühl und Denken? 

Wo möchtest du die Trennung zwischen Denken und Fühlen überwinden?

Gibt es Räume, wo du neue Erfahrungen machen kannst? 

Gibt es Räume, wo du dich trauen kannst, Gefühle mit dem Denken zu verbinden? Zum Beispiel, deine eigenen Gefühle zu äußern oder andere danach zu fragen? Und sei es „nur” beim Check-In oder Check-Out eines Meetings oder eines gemeinsamen Calls mit der Frage:

Wie fühlst du dich jetzt? Mit welchem Gefühl gehst du jetzt raus?”.

Das scheint banal und simpel. Und doch ist es ein so großer Unterschied, weil wir lernen, Hürden und Hemmnisse zu überwinden und zu beginnen, auf eine ganz kleine Art und Weise eine neue Sprache zu finden, indem wir ein Gefühl zum Ausdruck bringen.

Und es ist mal wieder an der Zeit für den Ausruf von Patti Smith:

Feel your fucking freedom!

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